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Ausgangsbetrachtung
Vietnams Nordwesten und äußerster Norden
Thailand/Koh Samet 6.8.2013
Die Nordwestschleife führt im äußersten Norden Vietnams über eine Reihe atemberaubender Routen darunter auch eine der spektakulärsten Passüberquerungen der Welt. Hung mein ehemaliger Easy Rider, der mich bis nach Hue begleitet hatte, hatte mir seinen Bekannten Denis empfohlen, der vorher auch jahrelang in Da Lat als Easy Rider gearbeitet hatte und jetzt im Norden tätig war, woher er auch stammte. Ob er tatsächlich der Einzige ab Hanoi ist, wie Hung und später auch Denis behaupteten, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls war er der Einzige, der mir in diesem Moment zur Verfügung stand und wo ich eine Art Empfehlung hatte. Im Vorfeld mailten wir x-Mal hin und her, was ich als etwas mühsam empfand. Denis versprach alles Mögliche und nichts war ein Problem für ihn. Auf einige für mich wichtige Fragen ging er nicht ein und auch in Hanoi wollte er mich nicht ein wenig herumführen. Das machte mich zwar stutzig, aber meine Entscheidung war gefallen, ich würde mit Denis auf 11-tägige Tour im Norden Vietnams gehen. Vorher mussten wir noch ein Bike für mich besorgen, was sich als nicht ganz einfach entpuppte. Niemand bot ein passendes Gerät zu einem fairen Preis an. Da zeigten sich schon die Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden Vietnams. Im Süden waren die Menschen im Schnitt entspannter und viel freundlicher. Hier im Norden konnte es schon passieren, dass Dich im „Geschäft“ niemand anhörte, obwohl man andererseits ständig von Schleppern belästigt wurde, irgendetwas zu kaufen oder zu mieten.
Wenn man dann konkret etwas brauchte, versagten die Nordvietnamesen leider häufig. Denis hatte mich ursprünglich gedrängt, alleine ein Bike zu suchen, was ich aber klar zurückgewiesen hatte, und das zu Recht wie sich jetzt zeigte. Endlich fanden wir dennoch einen freundlichen Vermieter in der Altstadt Hanois und schnell war der Vertrag unter Dach und Fach.

Vor dem Hotel packte Denis meinen Koffer ein wenig ungeschickter als Hung auf sein Motorrad und los ging es. Bereits die ersten Minuten aus dem Zentrum Hanois an die Peripherie stellten eine Art Abenteuer dar. Doch ich war schon sehr geübt und überstand auch dies. Weiter draußen ließ der Verkehr endlich nach, doch wir folgten weiter großen und breiten Straßen in Richtung Nordwesten. Es gab wenig Interessantes zu sehen und ich freute mich über jeden Kilometer mehr weg von der Hauptstadt. Bei einer kurzen Pause trank ich ein herrliches Getränk, das aus gepresstem Zuckerrohr hergestellt wird und mit Eiswürfel serviert wird, die ich allerdings verweigerte. Kurz begann es zu regnen und es hieß, alles dicht machen und das Regengewand anziehen. Endlich wurde es ländlicher und damit auch die Straßen schlechter. Wir fuhren entlang eines breiten Flusses, der mir gut gefiel und am frühen Nachmittag aßen wir mitten am Land zu Mittag. Leider war Denis nicht so ein netter Kerl wie Hung, er ließ mich einfach alleine am Tisch sitzen und unterhielt sich mit den Einheimischen. Dieses Spiel setzte sich in den folgenden Tagen fort. Für ihn war nichts ein Problem, für mich aber manches schon, doch das interessierte ihn leider wenig. Später sah ich seit langer Zeit wieder saftige hellgrüne Teeplantagen. Bei einem weiteren kurzen Stopp sprach mich plötzlich eine kleine süße Vietnamesin an, die offenbar ihr Englisch mit mir üben wollte. In der Zwischenzeit war es unerträglich heiß geworden – ich schätzte, dass nicht viel auf 40 Grad fehlte.
An einem kleinen Fluss zeigte mir Denis eine „technische Innovation“ der Hmong-Minderheit. Mittels eines Schaufelrades aus Bambusrohren und Holz leiteten diese Menschen einen Teil des Wassers auf die höherliegenden Reisfelder zur Bewässerung. Das ganze System war rein mechanisch, es gab keine Schmierung oder Dämpfung, alle beweglichen Teile rieben aneinander, doch es funktionierte eine Zeit lang. Dann wurden bestimmte Elemente einfach getauscht. Bis auf die Arbeitszeit kostete diese Erfindung faktisch nichts und sicherte den Reisertrag. Eine Pumpe wäre nicht erschwinglich gewesen für diese Menschen. Wir kamen in die Yen Bai Provinz, es wurde gebirgiger und wieder kühler, ein wahrer Segen. Erst am Abend erreichten wir das nebelverhangene Nghia Lo, unser Tagesziel in einer weiten grünen Ebene voll mit Reisanbau. Wir hatten an die 180 km zurückgelegt.

Das Hotel war nichts Besonderes aber auch nicht ganz schlecht und ich überspielte als erstes immer meine Fotos vom Tag. Zum Hochladen war eine funktionierende Internetverbindung Voraussetzung, die überraschenderweise oft auch in den miesesten Absteigen funktionierte. Wie üblich suchten wir uns am nächsten Morgen ein Lokal, das uns ein Frühstück anbieten konnte. Das war in diesen Gegenden nicht einfach und auch Denis hatte manchmal Mühe, etwas Passendes zu finden. Meist gab es eine heiße und gute Nudelsuppe aus Reisnudeln mit Koriander und etwas Zwiebeln. Diese Suppen schmeckten mir sehr gut und gaben auch Kraft.

Wir fuhren jetzt durch bewaldetes bergiges Gebiet, das sich mit herrlichen Reisterrassen abwechselte. Es war ein regnerischer Tag und überall hingen die Wolken in den Berghängen. Die Flüsse hatten alle viel Wasser und eine braune schlammige Farbe. Der Kontrast zu den herrlich frisch-grünen Reisterrassen war spektakulär. Leider mussten wir das Regengewand schließlich doch anziehen. Die Route führte über eine sehenswerte Bergkette weiter in Richtung Nordwesten in den uninteressanten Ort Than Uyen. Die Hänge und Ebenen des Berglandes wurden intensiv landwirtschaftlich genutzt und je höher wir kamen, desto malerischer wurde alles. Die Reisterrassen sahen von der Ferne wie von Zauberhand erschaffen aus. So eine Ästhetik und Hingabe hätte ich mir von Vietnam auch in vielen anderen Bereichen gewünscht, leider eine reine Wunschvorstellung. Immer wieder legte Denis, ohne mich viel zu fragen Tee- bzw. Kaffeepausen ein, die mir in Summe eigentlich zu lange dauerten, denn die Zeit fehlte am Abend. Schließlich kamen wir zu einer großen Hochebene, von der aus es weit hinauf auf den Khau Pha Pass ging. Schlangenartig schlängelte sich die Straße den Berg hinauf und ein großartiger Blick auf die umliegenden Bergmassive und die im Tal liegenden Reisterrassen eröffnete sich unseren Augen. Ich fragte Denis, wie hoch wir kommen würden und seine Antwort war mit „2600 m über dem Meeresspiegel“ leider ein Märchen. Der höchste Pass in Vietnam liegt auf ca. 1900 m Höhe und es ist nicht der Khau Pha Pass. Ich schätzte aufgrund der Temperatur und meiner Bergerfahrung die Höhe auf rund 1500 m. Nichtsdestoweniger war der Ausblick von der Passhöhe einer der atemberaubendsten, die ich bisher erlebt hatte. Ich hatte wieder einmal Glück, denn es war gute Fernsicht möglich. Auf der anderen Seite war es neblig und nicht viel zu erkennen. Wie schon gewohnt, wechselte das Wetter schnell. Kaum wieder weiter im Tal wurde es sofort heiß und das nasse Gewand konnte wieder trocknen. Denis zeigte mir eine kühne Materialseilbahn einer Minderheit über einen weiten Berggraben, die mit einfachsten Mitteln effektiv betrieben wurde.
Verschiedenartige „Innovationen“ der Bergvölker gab es da und dort zu bestaunen, doch resultierten alle aus dem Mangel an Geld und der Kenntnis modernerer Möglichkeiten. Die Landschaft blieb mit reißenden Flüssen entlang steiler Reisterrassen malerisch und mein Blick konnte sich schwer davon lösen. Hinter jeder Kurve offenbarten sich vollkommen neu zusammengesetzte Bilder. In Mu Cang Chai machten wir Halt und bestellten uns ein ausgiebiges Mittagessen, wobei Denis sogar in der Küche mithalf. Es war bereits nach 15 Uhr am Nachmittag und wir hatten noch ein ordentliches Stück Weg vor uns. Ich hatte es leider wieder nicht geschafft, auf dieser Tour kürzere Tagesetappen durchzubringen. Offenbar mangelte es an geeigneten Hotels und am Willen neue Wege zu suchen. Aber ich hatte ohnehin bereits damit gerechnet. An diesem Tag blieb es bis zum Schluss spannend, denn die Umgebung wollte mit ihrer natürlichen Schönheit einfach nicht nachlassen.

Sa Pa ist eine von den Franzosen im Jahr 1922 gegründete atmosphärische Bergstation im Nordwesten Vietnams. Die etwa 40.000 Einwohner zählende Stadt fehlt in keinem Reiseführer und ist voll mit Touristen. Der Ort liegt innerhalb einer außergewöhnlich schönen Landschaft an einem steilen Hang und bietet an klaren Tagen eine großartige Sicht. Häufig ist Sa Pa von dichtem Nebel eingehüllt und im Winter kann es vorkommen, dass wochenlang keine Sonne scheint. Die hohen Berge ringsherum gehören zur Hoang-Lien Gebirgskette, der wir schon die letzten beiden Tage in den Nordwesten gefolgt waren. Der höchste Berg Vietnams der 3143 m hohe Fan Si Pan liegt nur ca. 20 km von Sa Pa entfernt. Sa Pa ist auch der Treffpunkt vieler Bewohner der umliegenden Bergdörfer, die am Markt Kunsthandwerk und Kleidung anbieten. Ihr farbenprächtiges Gewand ist schon von weitem zu sehen. Dieser Ort war unser heutiges Etappenziel und ich war bereits mehr als gespannt. Es war zu erwarten, dass die Anreise wieder besonders spektakulär werden würde, zumal wir die höchsten Gipfel des Landes streiften.

Zunächst sah ich an der Strecke eine Reihe größerer Thai-Siedlungen, deren schöne Häuser mit trapezartigen Dächern einen deutlichen Unterschied machten. Wir fuhren entlang wolkenverhangener Berghänge mit Wasserfällen, Reisfeldern und Teeplantagen. Alles war grün und saftig. An einer größeren Kreuzung machten wir Halt und entspannten. In Richtung Nordwesten geht es weiter nach Lai Chau (früher Tam Duong) und nach Osten über den Tram-Ton Pass nach Sa Pa, das wir ansteuerten. Sich hier zu verfahren, wäre keine gute Idee, denn die Gegend ist recht einsam. Ich sah ein paar Touristen mit Motorrädern, die auf eigene Faust unterwegs waren, ein gewagtes Unterfangen. Für uns begann der Aufstieg auf den Tram-Ton Pass an der Nordseite des Fan Si Pan, des höchsten Berges. Mit 1900 m ist dieser Pass tatsächlich der höchste Bergpass in Vietnam und er bildet zusätzlich eine Wetterscheide. Während Sa Pa als einer der kältesten Orte Vietnams gilt, ist Lai Chau einer der wärmsten. Es machte unendlichen Spaß, mit dem Motorbike so einen gewaltigen Pass hochzufahren. Immer wieder quälten sich schwere Trucks den Berg hinauf, die wir mit Leichtigkeit überholten.
Während im Tal noch die Sonne schien, bewegten wir uns zunehmend in eine Wolken- und Nebelsuppe hinein. Hier hatte ich leider das erste Mal Pech, der unvorstellbare Ausblick ins weite Tal und auf die umliegenden riesigen Gipfel blieb mir verborgen. Auf der Passhöhe war es so neblig, dass man nicht mehr als 100 m sehen konnte, eine große Enttäuschung für mich. Zudem war es windig und ziemlich kühl. Erst auf der anderen Seite klarte es auf und ich wurde ein wenig entschädigt. An der Abfahrt 12 km westlich von Sa Pa und auf einer Seehöhe von noch immer 1800 m stürzt der Silberwasserfall (Thac Bac) ins Tal, den man von einem Parkplatz neben der Straße sehr gut einsehen kann. Wenig später fuhren wir kurz nach 15 Uhr vom Berg kommend in Sa Pa ein und bezogen das Hotel. Da noch genug Zeit war, beschloss ich, das viel gerühmte Sa Pa mit meinem Bike genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich sah alte französische Kolonialvillen und eine Reihe ganz interessanter Gebäude, aber auch hässliche Neubauten ohne Höhenbeschränkungen, die die Skyline verschandeln. Die Stammesangehörigen der Hmong fielen mir sofort auf, da sie umtriebige Händler in bunten Gewändern sind und bemerkenswert gut englisch sprechen. Es gab ein paar sehr schöne Straßen und Häuser, doch insgesamt konnte mich Sa Pa bis auf seine einzigartige Lage nicht so wirklich überzeugen. Ich wollte in Vietnam auch keine europäische Pizza oder Schweizer Schokolade zu horrenden Preisen kaufen.

Die Option, zwei Tage in Sa Pa zu verbringen war somit vom Tisch und die Weiterreise nach Lao Cai fiel mir ganz leicht. Lao Cai liegt direkt an der chinesischen Grenze und war bei der chinesischen Invasion im Jahr 1979 zerstört worden. Wir erreichten die Kleinstadt nach zügiger Bergabfahrt durch weiterhin schöne Landschaft noch am Vormittag des nächsten Tages. Eigentlich wollte ich nur Geld beheben, aber da ich nun schon einmal da war, schaute ich mich ein wenig um. Es gab viele neue Gebäude, die Stadt wirkte modern und quirlig. Wenige hundert Meter weiter befand man sich schon auf chinesischem Staatsgebiet.

Die Weiterfahrt nach Südosten bis zur Abzweigung nach Bac Ha war wenig aufregend, einzig eine kleine Bananenfarm erregte mein Interesse. Erst als es in Richtung Bac Ha kräftig bergauf ging, konzentrierte ich mich wieder mehr auf meine Umgebung anstatt nur schnell die Kilometer abzuspulen. Die kleine Bergstadt im nördlichen Hochland ist ursprünglich geblieben und weist ein relativ mildes Klima auf. In der großartigen Bergwelt der Umgebung leben zehn verschiedene Bergstämme. Wir aßen zu Mittag und verließen die malerische Gegend anschließend am gleichen Weg wieder. Unten im Tal gab ich fest Gas, zumal auch Denis eigentlich zu schnell unterwegs war für meine Begriffe. Wir mussten laufend schwere Trucks überholen und Denis tat dies im vietnamesischen Stil. Ich für meinen Teil genoss das schnellere Weiterkommen durchaus, hielt aber dennoch eine vernünftige Fahrweise ein. Oft verlor ich meinen Guide weit aus den Augen, was ich unverantwortlich von ihm fand.
Wäre mir irgendwo etwas zugestoßen, was ohnehin nur von theoretischer Natur für mich war, er hätte es gar nicht mitbekommen. Kurz hielten wir noch bei einem der zahllosen kleinen Werke zur Herstellung von Furnierplatten. Diese sahen ähnlich wie Sägewerke aus. Sie waren leicht zu erkennen, denn am Rande der Straße und oft auch auf der Straße lagen die feuchten Platten zum Trocknen und dies manchmal hunderte Meter weit. Einer der Arbeiter versuchte mir für die Fotos Geld abzupressen. Ich ignorierte ihn und wir fuhren weiter. Bald danach erreichten wir Pho Rang einen lauten vollkommen uninteressanten Provinzort, wo ich in einem schmutzigen Hotel die Nacht verbrachte. Denis hatte mir zuvor zwei andere Hotels vorgeführt, die ich umgehend abgelehnt hatte. Leider war auch die dritte Möglichkeit ein Desaster und eines der schlechtesten jemals erlebten Hotels auf meiner Reise. So konnte Denis bei mir keine Pluspunkte sammeln.

Ab sofort ging es hinauf in den äußersten Norden des Landes in die Ha Giang Provinz, eine Mondlandschaft aus Kalksteinspitzen und Granitblöcken. Wir näherten uns also langsam einer der schönsten Gegenden Vietnams mit atemberaubenden Routen. Zum Glück hatten wir die Einöde von Pho Rang bald hinter uns gelassen und die Landschaft besserte sich deutlich. Immer wieder fuhren wir entlang verschiedener Flüsse, die meist braunes Wasser führten. Dann zeigte mir Denis eine Zimtplantage, das sind Bäume aus deren Rinde Zimt gewonnen werden kann. Wir waren erneut im Bergland angekommen und es ging steil bergauf. Auch Minderheiten waren hier laufend anzutreffen. Unser Tagesziel war Vinh Quang, das sehr schön von Bergen umgeben auf einem Plateau liegt. Zuvor galt es aber noch den hohen und steilen Windpass zu überwinden. Nachdem einige schöne Stauseen inmitten der Berglandschaft vorbeigezogen waren, begann die Auffahrt auf den Pass und sie war nicht enden wollend. Es wurde immer finsterer und ganz oben waren wir zur Gänze vom Nebel eingehüllt, ein unwirkliches Erlebnis mit dem Motorrad. Der Regen verschonte uns allerdings zunächst. Auf der anderen Seite kam die Sonne unter den Wolken hervor und ich sah eine teils helle teils im Schatten liegende hohe grüne Bergwelt. Es war wieder sehr heiß geworden. Leider sah ich ständig die Motorbikes mit den in runde Käfige gezwängten Hausschweinen. Besonders grausame Tierquäler binden die Tiere einfach mit einem Gurt hinten am Motorbike fest, sodass sie kaum mehr atmen können und fahren dann bei großer Hitze mit ihnen herum. Das ist ihre letzte Reise zum Schlachthof, eine besondere Art der Tierquälerei in Vietnam, die ich absolut ablehne. Wie es dann dort zugeht, möchte ich nicht einmal erahnen. Wenn man das mit eigenen Augen sieht, macht das den Unterschied zum bloßen Lesen aus. Ein Grund mehr aus dem Fleischkonsum auszusteigen.

Während der schönen Abfahrt vom Windpass machten wir Halt beim Fairy-Wasserfall. Ich stieg ungefähr 200 m in die Tiefe und bekam zwei etwa 30 m hohe parallel ins Tal stürzende Wasserfälle zu Gesicht. Über das Wasserbecken führte eine kleine Brücke zu einem idyllischen Badeplatz. Angesichts der drückenden Schwüle war der Besuch da unten eine Wohltat. Nach dem schweißtreibenden Aufstieg ging die Reise weiter vorbei an steilen Reisterrassen. Bald setzte der bereits von uns erwartete starke Regen ein und wurde immer stärker. In Coc Pai mussten wir eine Stunde unter behelfsmäßigen Planen dem wilden Gewitter trotzen. Einen wirklich trockenen Platz konnten wir leider nicht auftreiben. Da fehlte es einfach an qualitativ hochwertigem Material in allen Bereichen. Endlich ließ der Regen nach, aber die Straße ins Tal war teilweise leicht vermurt, kein Honiglecken da mit dem Bike zu kreuzen und tiefe Wasserseen zu durchfahren. An den steilen Berghängen waren fortan einsame Bauernhöfe der Minderheiten zu sehen. Ich war jedoch froh, als wir nach einer weiteren langen Fahrt durch ein Flusstal endlich Vinh Quang von oben zu sehen bekamen. Wir hatten uns dem wunderschönen äußersten Norden wieder ein Stück angenähert.

Was ich bisher landschaftlich auf meiner dritten Easy Rider Tour gesehen hatte, war schon großartig, doch die absoluten Höhepunkte standen jetzt noch bevor. Ich bewegte mich hier in einem Gebiet, wo man nicht nur sensationelle Routen innerhalbe Vietnams erleben kann, sondern eine Auswahl der spektakulärsten Fahrten der Welt geliefert bekam. Vinh Quang lag zwar schön innerhalb der bergigen Landschaft, war aber weitgehend uninteressant, einer der vielen Orte in Vietnam ohne besonderes Flair. Unser Abendessen jedoch behielt ich in bester Erinnerung, herrlich heiße Nudelsuppe und fantastisch gekochtes Gemüse in tollen Variationen. Wir verließen Vinh Quang und leider folgte uns das regnerische und feuchte Wetter. Vor meinen Augen stiegen die tiefen Wolken die Berghänge hinauf und präsentierten eine Art Regenwald. Fantastisch geformte Reisfeldterrassen leuchteten durch den Nebel in ständig neuen Formationen, es war fast ein wenig gespenstisch. Die Vietnamesen verstehen die Kunst des Reisanbaus bestens, das war offenkundig. Jeder brauchbare Platz wurde genutzt und wo es an Wasser mangelte, wurde es mittels kreativer Lösungen zugeführt. Da auf den Straßen keine Kanäle geführt werden dürfen, leitet man das notwendige Nass über dicke Bambusrohre hoch über die Straße, einfach und effektiv, denn Wasser gibt es grundsätzlich mehr als genug hier. Wir machten Stopp bei einer gerade zu bearbeitenden Reisterrasse.
Das war harte Arbeit, alle halfen zusammen und jeder hatte seine exakte Aufgabe. Dabei stand man fast immer gebückt in wadentiefem Wasser und die meisten Bauern taten dies bloßfüßig. Ich hinterließ ein T-Shirt als Dankeschön für eindrucksvolle Fotos. Es ging bergauf, bergab, dann war plötzlich wieder ein Fluss unter uns, bis wir schließlich in eine breite und gute Straße einbogen, wie ich sie vorher noch kaum gesehen hatte. Auf dieser eher einsamen „Autobahn“ jagten wir uns unsere Bikes mit Highspeed dahin. Nun hatte mich Denis zu einem Mittagessen bei seiner Familie eingeladen, da wir seinen Heimatort kreuzten. Das fand ich sympathisch und ich erfuhr wieder Neues über Land und Leute. Bald mussten wir weiter, es war spät geworden, Nebel und meist leichter Regen blieben unsere Begleiter. Nach einem kurzen Besuch bei einer Thai-Familie begann die Auffahrt auf den Quan-Ba Pass, der Hauptattraktion des Tages. Die ersten Karstkegel tauchten in der Landschaft auf, etwas, was ich bisher nur in Filmen gesehen hatte. Wir befanden uns im Dong Van Karst Plateau Geopark, einer mystischen Gegend. Am Passgipfel waren wir auf Augenhöhe mit den in Wolken gekleideten Karstspitzen. Bald danach tauchte Tam Son unsere heutige Zwischenstation im Nebel auf. Der verschlafene Ort liegt sehr idyllisch innerhalb einer Ebene von Karstkegeln.

Leider gibt es in Vietnam eine sehr unsympathische Art, die eigenen Landsleute zu drangsalieren und ihnen gewisse „Informationen“ einzuimpfen. Es sind dies überdimensionale Lautsprecherdurchsagen in Orten, Städten und sogar in Hanoi, der Hauptstadt Vietnams. Diese beginnen am Land teils um 5 Uhr in der Früh und enden um 22 Uhr abends, natürlich mit Unterbrechungen dazwischen. In Hanoi habe ich diese Unart kommunistischen Verhaltens ab 7 Uhr wahrgenommen. Über Anlagen, die im ganzen Ort gehört werden können, werden die Bewohner zwangsbeschallt. Auf Touristen wird keine Rücksicht genommen, ich musste mir das Geleier in mehreren Orten vor allem morgens anhören, da gibt es kein Entrinnen. In Tam Som dauerte es bis 22 Uhr am Abend und startete wieder um 5 Uhr in der Früh. Das war besonders schade, denn hier waren wir endlich einmal an einem ruhigen Örtchen angekommen. Wenn man in den ländlichen und teils nur mühsam zugänglichen Teilen des Landes mehr Touristen anlocken will, wird man diese nicht zeitgemäße Form von „Informationsweitergabe“ aus meiner Sicht wohl aufgeben müssen.

An diesem Tag störte mich der Lärm allerdings weniger, denn wir standen am Start zur absoluten Königsetappe. Von Tam Son ging es hinauf in den äußersten Norden bis ganz nahe an die Grenze Chinas und über den unglaublichen Mai-Pi-Leng Pass weiter nach Meo Vac. Das Tagesziel hieß Bao Lac. Anfangs war es noch ein wenig regnerisch und die Berge waren wieder in Wolkenschleier getaucht. Die Landschaft war nur mehr surreal außergewöhnlich, egal wie lange man auch fuhr. Wir tauchten in ein Tal mit einem braunen Fluss hinunter, an dessen Ufer sich der Riesenbambus ausbreitete, den ich vor ein paar Wochen noch im Royal Botanic Garden in Peradeniya in Sri Lanka bewundert hatte. Hier in Nordvietnam gab es diese Pflanze in natürlicher Umgebung zu sehen. So schwierig das Terrain auch war, Landwirtschaft wurde an allen nur irgendwie brauchbaren Stellen betrieben. Das machte die Gegend nochmals reizvoller. Wir passierten Dong Van, einen Ort jenseits von Gut und Böse und danach ging es endgültig zur Sache, der Aufstieg auf den Mai-Pi-Leng Pass begann. Wie über Torschleusen passierten wir eine Anhöhe nach der anderen und gelangten in jeweils vollkommen neue Welten. Bis nach Meo Vac waren noch 36 Kilometer zu fahren.
In einer kurzen Pause blickte ich mit einer Banane in der Hand in die Hänge voll mit Karstspitzen. Jetzt zeigte sich auch rechtzeitig wieder die Sonne. Die Passstraße, die in den Fels gesprengt worden war, präsentierte sich so atemberaubend, dass ich kaum glauben konnte, hier live mit von der Partie zu sein. Hunderte Meter tiefer toste das Wasser des Nho-Que Flusses und über der gewaltigen Schlucht thronten majestätische Felsen. Das war der Gipfelpunkt der Tour, nichts war mir in diesem Moment klarer als dieses Bewusstsein. Als wir wenig später in der von Bergen eingezwängten schmutzigen Bezirkshauptstadt Meo Vac einfuhren, war der Zauber dann vorerst vorbei. Zum Glück verlief aber die weitere Abfahrt ebenfalls noch ziemlich spektakulär und erst als wir in dem Kaff Bao Lac unser Hotel bezogen, setzte ein leiser Frust ein, denn die Unterkunft konnte mit dem zuvor Erlebten wieder einmal bei weitem nicht mithalten.

Nach so vielen großartigen Erlebnissen war mir bewusst, dass es nicht laufend in dieser außergewöhnlichen Tonart weitergehen würde. Bao Lac war wirklich ein elendes, schmutziges Nest und beim Frühstück schien wieder der alte Spruch meines ersten Easy Riders Hung Anwendung zu finden. Je schmutziger das Lokal, desto besser das Essen.
Der Dreck war unglaublich, es wurde einfach alles am Boden geschmissen, aber die heiße Reisnudelsuppe mit Koriander und Gemüse war köstlich. Als wir weiterfuhren blieb die Landschaft weiterhin sehr schön. Wir folgten Flussläufen entlang steiler Hänge, sahen Reisfelder in Senken und auf den Bergterrassen, und weiterhin waren die eindrucksvollen Karsthügel unsere Begleiter. Das Wetter war teils sonnig, teils bewölkt und je näher wir an die Niederungen Richtung Süden gelangten, desto heißer wurde es. Die letzten rund 40 km vor Bac Kan, das wir ansteuerten, fuhren wir auf einer gut ausgebauten Straße und konnten das Tempo erhöhen. Der Ort und das Hotel waren endlich wieder einmal freundlicher und angenehmer, das Abendessen großartig. Ich bestellte Spaghetti auf „vietnamesische“ Art, da konnte bei der guten Qualität der Nudeln fast nichts schief gehen.

Von Bac Kan mussten wir am nächsten Morgen etwa 20 km zurück in den Norden fahren, um die Abzweigung zum Ba-Be Nationalpark zu erreichen. Hier ging es gleich ordentlich bergauf und mitten während der Auffahrt wurden wir von einer großen Baustelle mit Straßensperre jäh gestoppt. Diverse Unwetter hatten einen steilen großen Hang ins Rutschen gebracht und die Straße verlegt. Es war extrem heiß und ohne Schatten fast nicht auszuhalten auf der Bergstraße.
Jetzt hieß es geduldig warten bis wir über eine Behelfspiste durchgelassen werden konnten. Es sammelten sich auf beiden Seiten Fahrzeuge aller Art. Da kam ein Motorbike-Fahrer mit einem Schwein, das auf einer Holzplanke am Rücksitz brutal festgebunden war und kaum atmen konnte. Es war klar, wohin der Weg dieses Tieres führte, doch diese barbarische Tierquälerei erzürnte mich gewaltig. Der Fahrer kümmerte sich nicht, das buchstäblich arme Schwein hätte dringend Wasser gebraucht, anstelle dessen zog er die Riemen nur noch fester an. Das war kein Einzelfall in Vietnam und als ich Denis darauf aufmerksam machte, erklärte er mir dieses Vorgehen mit ökonomischen Aspekten. Ich war derartig geladen, dass ich dem Fahrer am liebsten eine die „Fresse“ geklopft hätte, doch das hätte auch nichts verändert. Dabei bin ich gar kein besonderer Tierfreund, aber so etwas direkt vor den eigenen Augen ablaufen zu sehen, macht jeden bewussten Menschen sehr nachdenklich. Schließlich ging es weiter und die undisziplinierten Vietnamesen fuhren aus beiden Richtungen gleichzeitig über die unebene und schwierige Erdpiste los, was alles noch mühsamer machte. Ich brauchte eine Weile, bis mein Ärger verflogen war.

Bald darauf kamen wir am wunderschönen Ba-Be Lake an. Die Landschaft dieses Nationalparks ist sehr eindrucksvoll. Riesige Kalksteinberge erheben sich auf mehr als 1500 m Höhe, dichte Bewaldung, steile Täler, Wasserfälle und die drei Seen prägen das malerische Bild. Es gibt eine Reihe von Bergdörfern verschiedener Minderheiten, die auch bereits teilweise mit dem Tourismus verbunden sind. Und natürlich begeistert die enorme Tier- und Pflanzenvielfalt. Das Jagen ist generell verboten, nur der Fischfang für die Einheimischen ist erlaubt.
Wir unternahmen eine Bootsfahrt auf den „Drei Buchten“, was Ba-Be bedeutet und entlang des Nang-Flusses, der mit den Seen verbunden ist. Viele Tiere zeigten sich nicht, am Ufer kühlten sich immer wieder die Wasserbüffel und ein paar Greifvögel kreisten über uns. Unser mehr als drei Stunden dauernder Ausflug führte uns nach einer Weile in die Puong-Höhle. Dieser tunnelartige Durchbruch ist etwa 40 m hoch und 300 m lang und durchdringt den gesamten Berg. Der Höhleneingang ist ziemlich spektakulär vom Fluss aus. Wir legten an und sahen uns um. Tausende Fledermäuse waren zu hören und zu sehen. Danach fuhren wir wieder flussabwärts vorbei an den gewaltigen Berghängen, die sich beidseitig auftürmten. Bei einem kleinen Dorf stiegen wir neuerlich aus und wanderten zum wilden Dau-Dang Wasserfall. Eine Reihe sehenswerter Kaskaden zwischen nackten Felswänden und riesigen Steinen war zu bewundern. Bei der Rückfahrt glitten wir einsam über das grünschimmernde Wasser und erst am Anlegeplatz war wieder mehr Rummel. Die Seen erinnerten mich an die Stauseen im österreichischen Waldviertel, nur bedeutend wärmer und ein wenig spektakulärer. Wir verließen diesen malerischen Ort am späten Nachmittag und landeten wohlbehalten in einem neuerlichen Kaff namens Bang Lung. Dort wartete ich in einem unterklassigen Hotel auf den Start der nächsten zehnten und vorletzten Etappe.

Die Höhepunkte der Tour lagen hinter uns und was jetzt noch folgen konnte, waren im besten Fall einzelne kleine positive Überraschungen. Langsam näherten wir uns wieder der Hauptstadt Hanoi. Unser Tagesziel Yen Bai lag bereits am Red River, dem Fluss, der auch durch Hanoi fließt. Der Tag begann mit kleineren Berg- und Talfahrten auf engen Straßen inmitten dichten Waldes und Siedlungen von Minderheiten mit palmenbedeckten Holzhütten. Wir bewegten uns jetzt in der Provinz Tuyen Quang und passierten auch die gleichnamige Provinzhauptstadt. Immer wieder sah ich leider abgerodete steile Berghänge auf denen zukünftig laut Denis Landwirtschaft betrieben werden würde. Niemand kümmerte sich in Vietnam um die Folgen dieses umweltschädlichen Verhaltens. Zwei große Flüsse lagen auf unserem Weg, die mir wie meistens sehr gut gefielen. Sie bildeten eine große Abwechslung im grünen Landschaftsbild. Auch herrlich sattgrüne Teeplantagen tauchten plötzlich unvermutet auf. Der negative Höhepunkt des Tages war jedoch ein knapp 30 km langes Stück „Straße“, das sich in einem wahrlich miserablen Zustand befand. Solche Teilstücke überraschten mich gelegentlich wie aus dem Nichts. Eine passable Straße endete und ging in eine Art breiten schlechten Feldweg über, wo nur mehr Schritttempo gefahren werden konnte. Da es viel geregnet hatte, kamen tiefe Schlammlöcher dazu, die kaum zu passieren waren. Diese Straße befand sich schon seit vielen Jahren in diesem Zustand.
Die Anrainer schien das nicht zu stören, mich allerdings schon. Es war eine stundenlange Höllenqual mit der Dämpfung eines Straßenbikes so eine dreckige Rumpelpiste abzufahren. Denis musste sich einiges anhören von mir, aber das schien ihn nicht zu kümmern, da er ohnehin stetig außer Sichtweite fuhr. Auch einige Pausen nutzten nicht viel, ich hatte einfach keine Lust mehr und wünschte, schon in Hanoi zu sein. Die Passivität und Agonie der Vietnamesen in vielen Bereichen störte mich. Irgendwann hatte ich es dann auch geschafft und wir hielten kurz an der Straßenseite neben einem Haufen Müll. Denis warf dann seine leere Wasserflasche zusätzlich ins Gebüsch. Mit all diesem Vorgehen konnte ich einfach nicht. Das war eine erste wichtige Erkenntnis meiner Weltreise: es gibt signifikante Verhaltensweisen ganzer Nationen, mit denen ich nicht einverstanden bin und für die ich auch kein Verständnis aufbringen kann. Die Bewusstseinsdifferenz ist in solchen Fällen zu groß. Passivität und Ignoranz bei offensichtlichen Problemen und nachhaltige Umweltzerstörung gehören da eindeutig dazu. Endlich erreichten wir Yen Bai und stiegen in einem hässlichen mehrstöckigen Betonkomplex ohne Aufzug ab. Mein Zimmer lag im fünften Stock. Passabel war einzig der Ausblick auf den Red River.

Die elftägige Highland-Tour in den Nordwesten und äußersten Norden Vietnams mit dem Motorbike war der bisherige Höhepunkt meines Aufenthalts in dem landschaftlich großartigen Land. Dennoch freute ich mich, bald wieder in ein wenig ruhigeres Fahrwasser zu gelangen.
Dies lag hauptsächlich an den teils schäbigen Unterkünften, mit denen ich gar nicht zurechtkam nach einem anstrengenden Tag und ein wenig auch an Denis herzloser Art. Er war zwar insgesamt kein schlechter Guide, doch einige seiner Verhaltensweisen waren kundenfeindlich und wenig freundschaftlich. Und da er durch mich eine große Summe Geld verdiente, hätte ich mir mit gutem Gewissen ein wenig mehr persönlichen Einsatz und Flexibilität von ihm erwarten können. Immerhin drängte er mich schon nach kurzer Zeit, für ihn im Internet Werbung zu machen, da wir ja Freunde seien („Now we are friends Günter“). Das wäre für mich grundsätzlich kein Problem gewesen, doch ich berichte, was ich subjektiv wahrnehme und nicht, was sich jemand anderer aus geschäftlichen Gründen wünscht. Und da ist es für ihn besser, wenn ich nicht im gewünschten Reiseforum über meine Erlebnisse schreibe. Was beiden Guides gemeinsam war, ist, dass jegliche Kritik, Beanstandung oder jeder Verbesserungsvorschlag sofort als persönlicher Affront aufgefasst worden war. Es war dadurch nicht möglich, Dinge offen anzusprechen. Ich ließ es daher auch weitgehend bleiben.

Die wahrlich abenteuerliche Fahrt über fast 1600 km würde also am heutigen Tag enden und ich wieder in Hanoi in mein altes Hotel zurückkehren. Wir hatten im Schnitt pro Tag fast 150 km gemacht, was unter Berücksichtigung der schlechten Straßenverhältnisse, der zahlreichen Pässe und auch des teils heftigen Regens im Grunde zu viel war.
Ich hatte vor Beginn der Tour zwar unterstrichen, dass es mir auf einen Tag mehr oder weniger nicht ankommt und ich lieber kürzere Distanzen mit mehr Zeit zum Genießen zurücklegen würde, aber mein Wunsch änderte am Programm rein gar nichts, denn die Route stand von Anfang an fest. Dieser Mangel an Flexibilität war sicher das größte Problem beider Easy Rider. Als ich an diesem Morgen in Yen Bai aus dem ungeliebten Hotel trat, tat ich dies auch im Bewusstsein, dass die Zeit miesen Wohnens mit ignorantem Personal nun vorbei sein würde. Wir waren seit dem Vortag nun endgültig zurück im Flachland und die restlichen Kilometer in die Hauptstadt waren nicht mehr als eine Pflichtübung. Die Straßen wurden besser und waren häufig von Reisfeldern gesäumt. Im Wesentlichen fuhren wir parallel zum Roten Fluss doch außerhalb Sichtweite gegen Südosten. Bei einem Stopp zu Mittag wurde mein sehr schmutziges Bike mit einem Hochdruckreiniger wieder salonfähig gewaschen. Im Restaurant bot mir ein Vietnamese, mit dem sich Denis unterhielt, unverhohlen sein junges hübsches weibliches Personal an. Ich ließ ihm ausrichten, dass er mich in Ruhe lassen sollte. Unglaublich, dass Denis diesem Treiben nicht sofort Einhalt geboten hatte.

Schon am frühen Nachmittag erreichten wir Hanoi und bei der Einfahrt leistete sich Denis nochmals ein für ihn typisches Stück. Für mich war es kein Problem, weite Strecken, ohne ihn zu sehen, abzuspulen. Doch als wir dem Zentrum Hanois immer näher kamen und ich ihn noch immer nicht sah, wurde ich nachdenklich.
Ich fuhr so lange ich mich orientieren konnte, doch irgendwann würde ich den richtigen Weg nicht mehr finden. Als ich schon stehenbleiben wollte, überholte mich der Dummkopf dann überraschend von hinten, wo ich ihn das letzte Mal doch vor mir gesehen hatte. In Hanoi ist der Verkehr so dicht und die Moral so schlecht, dass meine ganze Konzentration auf die Straße gerichtet sein musste. Zudem stürzte neben mir noch ein Motorbike-Fahrer, was auch nicht gerade ein aufbauendes Erlebnis darstellte. Auf Nachfrage bekam ich nur eine dumme Antwort, aber das war mir wenige Kilometer vor dem Ziel schon komplett egal. Im Skylark Hotel wurde ich dann sehr nett empfangen und man freute sich, mich heil wiederzusehen. Das Personal konnte kaum glauben, wo ich überall gewesen war. Der freundliche Motorbike-Verleiher holte sein Bike sofort ab und wir machten noch ein nettes Abschiedsfoto, auf dem Denis rechts und der Bike-Vermieter in der Mitte zu sehen sind.
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